Wendepunkt

Am nächsten Morgen, dem Sonntag, lichten wir den Anker und fahren bei dezentem grau in grau durch den nahen Hamburgsund, für uns einen der schönsten Orte hier in den Westschären. Die hübschen Häuser, die Fischerhütten, als Sommerhäuser genutzt, die Felsen grün bewachsen mit Wildblumen, Sträuchern und Bäumen, einfach herrlich anzusehen. Natürlich ist der Gästhamn voll belegt mit norwegischen Booten, wir fahren weiter nach Fjällbacka, wo wir nach einem Liegeplatz suchen wollen. Der Südwest Wind, Stärke 2, lässt das Segeln leider nicht zu. Die Schärenstadt sieht hübsch aus und auch das Wetter wird besser, die Sonne lässt sich wieder blicken. Im Hafen ist es sehr voll, innen gibt es für uns keine Möglichkeiten, nur außen könnten wir an einer Jeanneau längsseits gehen. Motorboote sausen schon wieder um uns herum, wie auf einer Hauptstraße die Autos; Geschaukel hier aussen und das für 65€? Vor einem Restaurant liegt eine Océanis 50, wir fahren nah ran, um das Schild auf dem Steg zu lesen. Tagesplätze, steht dort. Wir entscheiden uns gegen Fjällbacka: auf zur nächsten Ankerbucht Gluppö Bassängen, nur ein Katzensprung. Die Bucht ist geräumig und bietet neben Ankerplätzen auch Bojen und hohe Felsen, an denen man, gut abgefendert, längsseits anlegen kann.

Ankerbucht Gluppö nahe Fjällbacka

Ankerbucht Gluppö nahe Fjällbacka

Für jeden was dabei. Leider ist der Guppy Bassin, wie wir die Ankerbucht scherzhaft nennen, sehr tief. Über 15 Meter zeigt unser Lot an manchen Stellen. Wir finden einen Bereich mit ca. 11 Metern Tiefe und lassen den Anker mit 35 Metern Kette raus. Super, nun, da fast die gesamte Kette raus ist, kann Angelo mal den Ankerkasten sauber machen. Aber wir kommen einer Bavaria, die an einer Boje liegt, sehr nah und der Anker wird noch einmal verlegt. Der Anker sitzt und einem ‚lazy Sunday afternoon’ steht nichts mehr im Wege. Ein bisschen fühlen wir uns dann wie die Affen im Zoo: ein Ausflugsboot schippert durch die Bucht und die ankernden Boote werden ausgiebig bestaunt. Das haben wir auch noch nicht erlebt. Nach dem obligatorischen BBQ starten wir mit dem Gummiboot zur Insel Gluppö und erklimmen die Felsen. Schön ist es hier oben, finden auch die Möwen, die hier auf den Felsen Austern knacken. Viele leere Muscheln zeugen von ihrem regen Treiben. Zu unserer Überraschung ist es nicht nur karg, Wildblumen und große Kissen von Hornveilchen gibt es zu Bestaunen und -natürlich- den weiten Blick über den ‚Guppy Bassin‘.

Weitblick

Weitblick

Alles wäre super, gäbe es nicht den furchtbaren Bengel von ca. 10 Jahren, der stundenlang mit dem Schlauchboot Vollgas durch die Bucht um die ankernden Boote jagt, vielen Dank an die treusorgenden Eltern. So ist man die nervenden Kinder los, ins Schlauchboot gesetzt, 50 PS dran und lass sie die anderen belästigen. Eine beliebte Art in Schweden. Die Erwachsenen rudern übrigens oft, oder haben, wie wir, einen kleinen Elektromotor, der nur sehr langsam schiebt. Niemand sagt etwas, scheint also niemanden zu stören, erstaunlich. Der Montagmorgen ist total ekelig, Nieselregen und kein Wind. Wir machen uns auf nach Grebbestad bei 2 Bft. aus West, also Motor an für den kurzen Weg von 6 NM. Es bietet sich uns das gewohnte Bild, Norweger so weit das Auge reicht. Viele Schiffe ankern bereits vor dem Hafen. Wir fahren langsam bis zur Tankstelle und tatsächlich legt gerade eine Yacht an einem Längssteg ab. Das wäre unser Platz! Aber eine kleine schwedische Yacht ist schneller und visiert den Platz sofort an. Wir fragen, ob sie uns den Platz überlassen und bei uns längsseits gehen würden. Sie willigen ein, wenn wir sie dann über unser Deck tragen würden! Na klar! Wir sind ruckzuck beide fest, wobei ein netter Norweger, der aussieht wie Ron Woods von den Stones, von einer Vindö hilft. Da habt ihr aber Glück, sagt er, jau, das gehört dazu. Die Schweden an unserer Seite wollen auch wieder nur einkaufen, hätten uns aber dafür den Platz weggenommen ohne etwas zu bezahlen. In allen anderen Ländern gibt es sowas nicht, man bezahlt das Hafengeld nach der Ankunft und bleibt über Nacht. Komische Gepflogenheiten, warum man für diese Einkäufer keinen gesonderten Steg anlegt? Verstehe ein Deutscher einen Schweden…..verkehrte Welt! Wir lassen zu, dass eine Greta nach Deutschland kommt, um uns zu bevormunden, dabei gibt es vor ihrer eigenen Tür reichlich zu kehren. Wenn der Schwede in seinem Motorboot sitzt, hat er den Tesla vor der Tür rasch vergessen und kennt nur noch eine Hebelstellung, Vollgas. Da interessiert kein CO2 Ausstoß mehr. Jeden Tag beobachten wir die Wassersportler mit Plastiktüten aus dem ICA Supermarkt schleppen, nicht eine, vier bis fünf pro Einkauf, kostenlos. Wir gehen schon ewig mit Stofftaschen zum Einholen. Glück hatten wir wirklich, denn nun, als wir fest sind, beginnt es ordentlich zu regnen, echt fies. Unser Steg liegt direkt an einer Straße, wo die Reisemobile zu einem Campingplatz fahren. Es scheint dort genauso voll wie in den Häfen zu sein, die meisten kommen wieder zurück. Es sind sehr viele, das sagt uns, im Juli muss man mit dem Womo nicht nach Schweden fahren. Bald lässt der Regen nach, die Front ist abgezogen und es wird noch superschön, man hätte es nicht für möglich gehalten. Wir machen uns auf zum Sightseeing auf der Bryggan, einer Promenade, rappelvoll, entlang des Hafens. Dort ist kein Eckchen mehr frei. Außerhalb der Hauptsaison ist Grebbestad bestimmt ein wunderbares Städtchen, aber jetzt komplett überrannt mit Norwegern, denn die Grenze ist nah und für sie ist hier alles viel günstiger als daheim. Wir erklimmen den Aussichtspunkt über Grebbestad, eine tolle Aussicht über den Hafen und die Stadt.

Blick über Grebbestad

Blick über Grebbestad

Als wir zurückkehren liegen schon 2 Boote an der Seite der Pretty, kleine und es ist windstill. Sie liegen zwar an unserem Schiff, rennen über unser Deck, aber grüßen können sie uns dennoch nicht. Da muss man sich erst dran gewöhnen.

Pretty am Längssteg

Pretty am Längssteg

Wir gehen, natürlich mit Tasche, zum ICA, unserem Lieblingssupermarkt, und füllen die Vorräte auf. Bei der Rückkehr liegen schon 7 Boote an unserer Seite und nun platzt dem Skipper aber der Kragen. Leine zum Land ausbringen, so wie es Seemannschaft ist, aber sofort. Der Schwede neben uns freut sich, deutsche Ordnung, sagt er, aber die würden die Schweden nicht kennen. Er plaudert mit Angelo, erzählt, dass sie auch eine große Yacht (das haben uns auf diesem Törn schon einige erzählt) und damit nur Probleme hatten. Deshalb haben sie jetzt das kleinere Boot. Er beklagt, dass die Norweger die Küste überrennen, rüpelhaft, dreist und ungehobelt. Früher wären hier viele Deutsche gewesen, die bleiben nun aus. Uns Deutsche hätte er lieber gehabt. Es stimmt, wir haben bis hierher nur wenige deutsche Yachten gesehen. Und da ist er, der Neid! Denn die Norweger sind reich und haben die richtig dicken Yachten. Als sie ablegen, geht es ganz einfach: ablegen, sagt er zu seinen Landsleuten und das tun sie, alle weg. Dann kommt ein kleines norwegisches Segelboot, ganz andere Menschen. Nett, freundlich, vorsichtig. Sie wollen eigentlich auch nicht über Nacht bleiben, tun es aber dann doch. Fragen uns, ob sie bleiben dürfen, was wir doch nicht zu entscheiden haben. Angenehme Leute gibt es also auch in Norwegen, die Bootsfrau schenkt uns sogar noch eine Flasche Bier für unsere Gastfreundschaft, lange plaudern wir über das Seglervolk im allgemeinen. Sie hat einen klugen Spruch: all are people on boats, not boatpeople. Das trifft auch auf das kleine schwedische Segelboot mit einem jungen Paar zu, das noch außen anlegt ohne um Erlaubnis zu fragen. Vor Arroganz kann besonders der Skipper kaum laufen und den Kopf zu einem simplen Gruß drehen. Normalerweise fragt man auf dem Gastschiff, ob und wann es ablegen will, bevor man zum Feiern in der Kneipe verschwindet. Aber was ist hier schon normal, bei den people on boats?

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